Tag 32 aus dem Tagebuch!
Der tägliche Anruf auf der Intensivstation, jeden morgen vor 6 Uhr. Die Schwester berichtet mir, dass alles unverändert stabil ist.
Deine nächtlichen Angstattacken sind nach wie vor da, warum das immer so ist, verstehen alle nicht so recht. Aber sie haben dich permanent im Auge und sind immer sofort für dich da, wenn mal wieder so eine Situation auftritt.
Nachmittags erwartest du mich bereits, bevor ich dich richtig begrüßen kann willst du mich etwas fragen, aber dadurch, das du so aufgeregt bist, konnte ich anfangs nicht verstehen was du meinst. Nach einigen Minuten und einer Kommunikation mit Händen und Füßen hatte ich dich dann aber verstanden. Du wolltest wissen ob ich schon telefoniert habe wegen deiner Reha. Ich erzählte dir, das ich da natürlich schon angerufen habe und dass sie dir da helfen werden, wieder fit zu werden, damit du bald wieder nach Hause kannst.
Du fragtest mich dann nochmal, ob es sowas wirklich nicht in Husum gibt. Nochmals erklärte ich dir, dass es solche Einrichtungen hier leider nicht gibt.
Heute fragtest du mich das erste Mal, was überhaupt passiert ist mit dir. So erzählte ich dir was passiert ist und wie ernsthaft das alles ist und dass wir alle sehr besorgt um dich sind und viel geweint haben. Da fingst du auch bitterlich an zu weinen und so weinten wir dann beide gemeinsam. Dieser Moment war sehr emotional und sehr wichtig, vor allem für dich. Ich glaube nicht das du alles verstanden hast, was ich dir erzählt habe, aber du hast verstanden, das du sehr sehr krank bist.
Du wirktest in diesem Moment sehr klar auf mich, doch im nächsten Moment fragtest du dann plötzlich nach deiner Oma, wann sie denn endlich mal zu Besuch kommt. Ohjee, Oma lebt schon jahrelang nicht mehr und ich erklärte es dir vorsichtig, da fingst du wieder an zu weinen, und dann auf einmal, man konnte es in deinem Kopf richtig klicken hören, viel es dir wieder ein, dass Oma ja gar nicht mehr lebt.
In einem kurzen Moment bist du so klar und im nächsten Moment wieder in einer ganz anderen Welt.
Ich wollte mal sehen woran du dich erinnerst und fing an von deinem Freund zu erzählen und dass er mir ein wenig bei den Tieren hilft und plötzlich sagst du seinen Spitznamen. Wahnsinn, du hattest mich also verstanden. Ich fragte dich dann, ob ich nicht mal ein Bild für ihn machen soll von dir wo du ihn grüßt, ja, das wolltest du und auf diesem Bild hast du ihn mit der rechten Hand gegrüßt. Der Hammer(Bild siehe unten)
Als nächstes hast du mir dann deinen Katheter gezeigt, ich hab dir dann erklärt warum du den hast und dass der wieder entfernt wird, sobald du wieder selber auf Klo kannst. Das war dann auch ok für dich.
Jetzt kam der Narkosearzt zu uns ins Zimmer und wollte uns aufklären bezüglich der anstehenden OP am Montag. Ob das nun so gut war das du dabei warst weiss ich nicht, denn du bekamst Angst und sagtest "Nein" . Wir erklärten dir dann, dass es nichts schlimmes ist und das es notwendig ist, vorher könntest du nicht in die Reha. Ja gut, das hast du dann so hingenommen. Das war wirklich ein bisschen unangebracht, das Gespräch hätte er auch gut mit mir alleine führen können, aber gut, lässt sich jetzt nicht ändern.
Nun wolltest du von mir wissen wieviele Tage es noch dauert bis du zur Reha kannst. ich sagte dir, wenn nichts dazwischen kommt dann in 4 Tagen. Du zähltest dann sofort mit deinen Fingern einmal bis vier hoch und dein Blick ging Richtung Kalender, welcher an der Wand hing. Auf dem Kalender zeigte ich dir dann nochmal, wann das sein wird. Ich bin sprachlos das du so klar bist gerade.
Ich dachte mir, heute ist ein guter Tag, um dich nochmal mit den Bildern von den Tieren zu konfrontieren, die wir dir ausgedruckt hatten.
Und bei einem Bild, auf dem Pferde waren sagtest du plötzlich zwei Wörter. Zuerst hatte ich es nicht verstanden und du widerholtest es. Wahnsinn, den Namen dieser beiden Pferde konntest du nicht sagen, aber die Abstammung von beiden hast du gesagt. Sagenhaft. Du wolltest grad wieder weinen, da kam die Schwester rein und meinte, dass wir dich ja gut mal auf die Bettkante setzen könnten, und ich sollte dann neben dir sitzen und gemeinsam trinken wir dann einen Kaffee... Gesagt getan, wahnsinn, du konntest alleine da sitzen und hast sogar die Schwester geärgert indem du so getan hast als würdest du nach vorne weg kippen, wir mussten richtig lachen. Ein wahnsinnig toller Moment.
Heute rannte die Zeit wie im Flug, und um 17.30 Uhr meintest du dann, ich müsste ja nun bald mal los nach Hause bevor es dunkel wird. Auch hier musste ich schmunzeln, aber um dich zu bestärken ging ich voll drauf ein und sagte, Mensch ja, da hast du recht Peter, gut du sagst das, dann fahr ich jetzt lieber nach Hause.
Hier hört es sich manchmal so an als könntest du richtig gut sprechen, so wie ich es hier schreibe. Nur um es dir später zu erklären, wir verständigen uns mit Mimik, Gestik und vereinzelten Buchstaben und manchmal auch Wörtern, wir beide sind nun seit 18 Jahren ein Paar und auch das hilft sehr, dich besser zu verstehen, denn manchmal reicht schon ein Blick und ich weiß was du meinst.
Klare Worte oder sogar auch schonmal ein Satz kommen nur raus, wenn du böse bist. Warum das so ist weiß ich nicht genau, aber ich glaube weil du dich dann vorher nicht darauf konzentrierst. Sobald Konzentration gefordert ist, klappt so gut wie gar nichts. Aber das sind alles Dinge, die du später in der Reha wieder Stück für Stück erlernen kannst.
Was ich ja total niedlich fand, die Schwester hat extra einen kleinen Zettel an deine Krankenakte gehängt, dass wir morgen Hochzeitstag haben und hier "gefeiert" wird. Ich hatte sie zuvor gefragt, ob du Kuchen essen darfst, daher wusste sie es. Feiern werden wir natürlich nicht, aber mal sehen ob du morgen ein Stück Kuchen isst.
Ich freue mich auf morgen und fahre nach Hause.
Hier noch das Bild von dir !